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15. September 2023

Saudi Arabien und der Wunsch sich als zentraler Standort der MENA-Region zu etablieren I Eindrücke aus der arabischen Welt I September 2023

Liebe Leserinnen

Liebe Leser,

„Wir schätzen die deutsche Qualität, die Produkte und die langfristigen Geschäftsbeziehungen.“ Mit diesen Worten beschreiben Unternehmer*innen aus Saudi-Arabien die deutsche Wirtschaft in vielen meiner Gespräche. Gleichzeitig wünschen sie sich von Firmen aus Deutschland mehr Engagement, mehr Mut und mehr Einsatz, um sich im „neuen Saudi-Arabien“ zu betätigen. Das Land durchläuft ohne Frage einen fundamentalen Wandel: Alles ist neu und anders – auch das betonen meine Gesprächspartnerinnen immer wieder – und sie erhoffen sich, dass deutsche Unternehmen diesen Transformationsprozess verstärkt unterstützen.

Das Königreich bietet genau jetzt hoch attraktive Anreize, die überzeugend sind. Natürlich hinkt das Königreich einige Jahre hinter der Entwicklung der kleineren Golfstaaten Katar oder den Vereinigten Arabischen Emiraten hinterher, aber das Tempo, das nun vorgelegt wird, um dies aufzuholen und möglichst mit visionären Projekten zu übertreffen, ist einmalig in der Welt, davon konnte ich mich bei vielen Besuchen überzeugen. Und dies ist auch der Eindruck vor Ort: Es geht darum, das als konservativ geltende Land mit Wucht in die Moderne zu führen.

Dahinter steckt ein ehrgeiziger Plan: Die „Vision 2030“ ist ein umfassendes Reformprogramm, das im April 2016 vom Kronprinzen Mohammed bin Salman ins Leben gerufen wurde. Es wurde entwickelt, um die saudi-arabische Wirtschaft grundlegend zu transformieren und ihre Abhängigkeit vom Öl zu verringern. Sie setzt ehrgeizige Ziele, darunter die Steigerung des Anteils des Privatsektors am Bruttoinlandsprodukt (BIP), die Schaffung von Millionen neuer Arbeitsplätze und die Erhöhung der Nicht-Öl-Einnahmen.

Dabei wird geplant, in diverse Sektoren zu investieren, darunter Tourismus, Unterhaltung, Sport, Kultur, Technologie, erneuerbare Energien, Gesundheitswesen und Bildung. Genau dies schafft erhebliche Möglichkeiten für Unternehmer, die bereit sind, in diese aufstrebenden Branchen zu investieren.

Um diese Ziele zu erreichen und nachhaltige Entwicklung zu generieren, sucht Saudi-Arabien verstärkt nach internationalen Partnerschaften und ausländischem Know-how. Das ganze Land blüht auf, und viele saudische Menschen blicken optimistisch in die Zukunft: 70% der Bevölkerung sind jünger als 30 Jahren, die meisten von ihnen haben in den USA oder Europa studiert und sind nach Hause zurückgekehrt, um ihre Heimat zu entwickeln und die „Vision 2030“ zu verwirklichen. Sie fühlen sich als Treiber des Fortschritts – dies klingt in allen meinen Gesprächen durch.

Mehr als  30 Millionen Menschen leben im Königreich, was es zu einem der bevölkerungsreichsten Länder im Nahen Osten macht. Dies ermöglicht Unternehmen den Zugang zu einem breiten, regionalen Markt, der Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate, den Irak, Ägypten und Jordanien umfasst.

Hinzu kommen international eine Vielzahl von Freihandelsabkommen mit Ländern aus Afrika und Asien. Saudi-Arabien ist das am stärksten wachsende Zentrum der arabischen Welt.

So verzeichnet das Königreich ein starkes Wachstum im E-Commerce-Sektor, wobei immer mehr Menschen online einkaufen. Dies bietet Möglichkeiten für Unternehmen, die im Online-Handel und in verwandten Dienstleistungen tätig sind. Wenn Sie sich in Saudi-Arabien bewegen, sehen Sie eine Vielzahl von Startups, Unternehmen und digitalen Aktivitäten sowie Inkubatoren mit ambitionierten Zielen. Auch für europäische Startups gibt es in den Städten Riad und speziell Dschiddah eine interessante Kultur und intensive Förderprogramme. Vor allem viele Frauen begreifen sich als Architektinnen dieses Wandels: Die Mehrheit der Universitätsabsolventen ist weiblich, der Anteil der Frauen am Arbeitsmarkt beträgt mittlerweile mehr als ein Drittel und ist in den letzten Jahren rapide gewachsen. In Gesprächen beschreiben sich saudische Unternehmerinnen als das Schwungrad der wirtschaftlichen Transformation: Sie gelten als überaus motiviert, ehrgeizig und exzellent ausgebildet und arbeiten mittlerweile in über 200 Branchen.

Saudi-Arabien ist ein vielfältiges Land mit unterschiedlichen kulturellen Präferenzen und Bedürfnissen und unterscheidet sich mit seinem stärker konservativ ausgeprägten religiösen Empfinden von seinen Nachbarn am Golf. Dies erfordert eine Anpassung und Personalisierung von Produkten und Dienstleistungen, was wiederum Chancen für innovative Geschäftsmodelle bietet.

Ich persönlich, der ich Saudi-Arabien seit einigen Jahren besuche, erlebe eine zunehmend offene Gesellschaft, in der insbesondere Frauen, eine ganz zentrale Rolle in Öffentlichkeit und Unternehmertum einnehmen. Gänzlich abgeschafft sind Diskriminierungen der Frauen, die das Bild der letzten Jahrzehnte geprägt hat: Geschlechtertrennung existiert nicht mehr, Frauen dürfen Auto fahren und engagieren sich mehr denn je in Wirtschaft, Kultur und Politik. Dies setzt eine ungeheure Energie frei, die wirklich sicht- und fühlbar ist!

In allen Gesprächen klingt diese Euphorie mit, das Land aus den alten, verkrusteten Strukturen zu befreien, der Welt zu öffnen und es von seiner besten Seite zu präsentieren. Dafür sind viele Menschen auch bereit, Opfer zu bringen: Die begehrten Jobs im öffentlichen Sektor werden rar, stattdessen werden eigene Unternehmen im Tourismus, der Digitalisierung oder im Einzelhandel gegründet – überall sprießen Foodtrucks, Kulturzentren und Technologieanbieter aus dem Boden.

Um diesen Wandel zu beschleunigen, braucht es ausländische Investitionen. Die saudi-arabische Regierung bietet Steuervergünstigungen und Anreize für ausländische Investoren insbesondere in den Sektoren, die im Rahmen der „Vision 2030“ gefördert werden. Dies kann die Unternehmenssteuer, die Mehrwertsteuer oder die Einkommensteuer betreffen. Aber genauso ist das Land bereit, mit Ihnen über sehr günstige Konditionen für Immobilien zu sprechen, und insbesondere, wenn sie bereit sind, eine eigene Produktion in Saudi-Arabien aufzubauen, ist das Land auch bereit, einen Teil der Lohnkosten zu übernehmen. Nur wenn sich der Anteil der ausländischen Direktinvestitionen am BIP noch weiter erhöht, kann Saudi-Arabien seine ehrgeizigen Ziele erreichen.

Bei den Energiekosten ist Saudi-Arabien ein ebenbürtige Gegner zu dem IRA Akt der Amerikaner und bietet langfristige Konditionen für energieintensive Industrien an, die bereits dazu geführt haben, dass deutsche Unternehmen ihre Produktion nach Saudi-Arabien verlagern. Gleichzeitig ist das Königreich äußerst selbstbewusst und überzeugt von seinen Vorteilen: Die geographische Lage, der wachsende Markt, die immensen Investitionen in „Vision 2030“ lassen den Glauben wachsen, dass zukünftig immer mehr Unternehmen in Saudi-Arabien produzieren anstatt in benachbarten Ländern.

In einigen Sektoren ermöglicht Saudi-Arabien ausländischen Investoren die 100%-ige Eigentümerschaft an ihren Unternehmen. Dies war in der Vergangenheit in vielen Ländern des Nahen Ostens nicht üblich. Und wenn, dann nur in einer der Freihandelszonen, die wiederum andere Nachteile mit sich bringen. Die Regierung hat den Prozess der Unternehmensgründung erheblich vereinfacht und beschleunigt. Dies bedeutet weniger bürokratischen Aufwand und kürzere Wartezeiten für Investoren.

Natürlich hat auch Saudi Unternehmer Dynastien, wie bspw die Familie Juffali, die seit Jahrzehnten enge Kontake zwischen Saudi und Deutschland pflegt und als strategische Partner mehr als optimal geeignet sind.

Saudi-Arabien verfügt über Sonderwirtschaftszonen und Freihandelszonen, die ausländischen Investoren den Zugang zu günstigen Standorten ermöglichen. Diese Zonen bieten oft weitere Anreize wie Zollbefreiungen und reduzierte regulatorische Anforderungen. Insbesondere sollten Sie das Land aber fordern, strategische Partnerschaften vorzuschlagen. Es gibt eine Vielzahl starker Unternehmer*innen und Unternehmen, die Ihnen wesentliche Türen öffnen können.

Die Regierung investiert massiv in die Entwicklung der Infrastruktur, das Logistik und den Zugang zu den Märkten erleichtert.

Vor allem im Energiebereich will sich Saudi-Arabien aus der Abhängigkeit vom Erdöl lösen. Dafür wird massiv in den Ausbau der erneuerbaren Energien investiert. Solar, Wind und vor allem Wasserstoff sind die Pfeiler dieser Energiewende. „Durch unsere Adern fließt schwarzes Blut“, betonen saudische Gesprächspartner immer wieder. „Doch das muss sich ändern, wenn wir erfolgreich sein wollen.“ Darum setzt das Land auf Know-How-Transfer, Wissensproduktion, Technologieentwicklung und internationale Allianzen – wie die Energiepartnerschaft mit Deutschland und die Eröffnung eines Wasserstoffbüros in Riad eindrücklich zeigen.

KSA schafft zusätzliche Chancen für Unternehmen im Infrastrukturbereich. Doch nicht nur Großprojekte wie NEOM, the Line, das Red Sea Project (Tourismus) oder Qiddiya (Unterhaltung) führen zu attraktiven Projekten für deutsche Unternehmer, sondern beispielsweise auch die Hauptstadt Riad stellt ein Budget von 300 Milliarden US-Dollar zur Verfügung, das in die Erneuerung der Infrastruktur in der Hauptstadt investiert wird – inklusive Metro oder neuer Flughäfen.

Wenn ich nach Saudi-Arabien reise, wird dieser Fortschritt überall deutlich: Vor Jahren glich die Hauptstadt Riad noch einer verschlafenen Wüstenstadt, mittlerweile ist sie eine pulsierende Metropole, die zu einer der bevölkerungsreichsten Städte der Welt entwickelt werden soll. Kulturzentren werden von saudischen Künstlerinnen gegründet und locken Gäste aus aller Welt an. Das Filmfestival oder die Biennale in Dschidda sind dabei ebenso Magneten für Touristen wie die historische Oasenstadt Al Ula im Herzen des Landes, die zu einem Kulturzentrum der Spitzenklasse ausgebaut wird.

Es ist wichtig zu beachten, dass die genauen Anreize und Bedingungen je nach Branche und Region variieren können. Bevor Sie investieren, sollten Sie sich bei uns gründlich über die spezifischen Anreize und Bedingungen in Ihrem Interessensgebiet informieren und möglicherweise rechtlichen Rat in Anspruch nehmen. Auch in der Botschaft in Berlin ist der Wirtschafts Attaché ein kompetenter Ansprechpartner, In Riad gibt es im Ministerien für Investitionen, Mittelstandsförderung oder natürlich das Wirtschaftsministerium.

Um das Klima für technologische Innovationen in dem Land zu stärken, erlauben Sie mir nur ein Beispiel vieler wissenschaftlicher Investitionen anzuführen, das aufzeigt, wie Saudi-Arabien in Forschung, Entwicklung und Technologie Investitionen investiert und dafür das richtige Klima schafft. Ich konnte mehrfach die King Abdullah University of Science and Technology (KAUST) besuchen und mit ihrem Präsidenten sowie Lehrkräften und Studierenden sprechen. Dabei fiel mir besonders das entspannte, aber innovative Klima auf der Halbinsel nördlich von Dschidda auf, auf der auch einige der islamisch-konservativen Verhaltensregeln außer Kraft gesetzt wurden, um den Campus noch innovationsfreudiger zu gestalten.

KAUST ist eine einzigartige Universität. Sie fördert interdisziplinäre Forschung und Zusammenarbeit zwischen Fachbereichen und ermöglicht es Wissenschaftlern, an komplexen Problemen zu arbeiten, die mehrere Disziplinen betreffen. Dafür erhalten die Lehrenden, Forschenden und Lernenden Zugang zu Ressourcen, die in Europa oder Amerika nicht zugänglich sind. Ein IT-Professor erzählte mir, dass er hier frei über Rechnerzeiten und Rechnerleistung verfügen kann, die in Stanford Wochen zuvor angemeldet werden müssten. Die Universität verfügt über Laboratorien, Einrichtungen und Ressourcen für Spitzenforschung. Etwa 50% der Studierenden und Fakultätsmitglieder kommen aus dem Ausland, was zu einem kulturell vielfältigen und global ausgerichteten Campus führt. Eine Vielzahl von Wohnmöglichkeiten für Studenten bis Professoren schaffen ein besonderes Klima. Die Universität fördert die Freiheit der Forschung und unabhängige wissenschaftliche Arbeit, ohne politische oder wirtschaftliche Einflussnahme.

KAUST pflegt enge Beziehungen zur Industrie und arbeitet mit Unternehmen zusammen, um Forschungsprojekte und Technologietransfers zu fördern. Auf dem Gelände wurde ein riesiges Startup-Zentrum errichtet, in dem innovative Ideen in wirtschaftliche Unternehmungen gefördert und überführt werden.

KAUST wurde mit dem Ziel gegründet, eine globale Plattform für Spitzenforschung und Bildung zu schaffen und gleichzeitig dazu beizutragen, die wissenschaftliche und technologische Entwicklung in Saudi-Arabien und der gesamten Region zu fördern. Dieses einzigartige Modell hat die Universität zu einer bedeutenden Institution für Wissenschaft und Forschung gemacht.

KAUST ist nur ein Beispiel für den aufstrebenden Bildungssektor: In vielen Forschungszentren wird die Zukunft mitgestaltet, werden gemeinsam mit ausländischen Partnern CO2-freie Energielösungen, Elektroautos oder IT-Produkten entwickelt. Universitäten wie die King Saud University oder die Frauenuniversität Princess Noura University in Riad gelten als Aushängeschilder des Wissensstandorts Saudi-Arabien. Am King Abdullah Petroleum Studies and Research Center tummeln sich international Talente, um die saudische Energiewende voranzutreiben und in den kommenden Tagen findet zum ersten Mal die MENA Climate Week in Riad statt – ein weiteres Zeichen für das saudische Engagement, seine Energiewirtschaft zu diversifizieren.

Diskutieren Sie mit uns verschiedene Strategien und Ansätze für den Markteintritt, wie Joint Ventures, Partnerschaften oder den Aufbau eigener Niederlassungen. Wir informieren Sie ehrlich über potenzielle Herausforderungen und Risiken, die mit Investitionen in Saudi-Arabien verbunden sein können, und wie man sie angehen kann.